Car-Sharing - auch eine Chance für die Ortsteile?

mehrere Personen an einem Tisch im Gespräch
Fachgespräch zum Thema Car-Sharing in den Ortsteilen

Es war ein kleiner aber sehr interessierter Teilnehmerkreis zum Fachgespräch Car-Sharing im Bürgerhaus in Vieselbach. Die große Herausforderung im Zusammenhang mit Car-Sharing ist immer auch die Frage, wie Nachfrage und Angebot zusammen gebracht werden können. 

Niklas Wachholtz als Standortleiter für teilAuto in Erfurt führte sehr offen aus, nach welchen Kriterien Standorte für Carsharing Stationen evaluiert werden. Gerade in den Ortsteilen ist teilweise nicht ausreichend Nachfrage da, um mindestens zwei Fahrzeuge an einer Station aufzustellen. Neben der Nachfrage und einer Mindestanzahl interessierter Nutzer gibt es auch andere Punkte, die für die Auswahl eines Stationsstandorts berücksichtigt werden müssen. Auf der einen Seite stehen die Fixkosten, die sich zum Beispiel durch die Stellplatzmiete ergeben. Für die Wartung und Betreuung der Fahrzeuge spielt es aber auch eine Rolle, wie schnell ein Mitarbeiter von teilAuto an dem jeweiligen Standort sein kann, um die Fahrzeuge zu pflegen. 

Gerade in etwas entlegeneren Orten ist das beste Modell, ein Unternehmen zu finden, das den eigenen Fahrzeugpool über ein Car-Sharing-System mit den „Nachbarn“ teilt. Hier ergeben sich sowohl für Selbständige oder auch Unternehmen mit unregelmäßigen Außendiensteinsätzen oder unterschiedlichem Fahrzeugbedarf ganz neue Möglichkeiten, zum Beispiel auftragsspezifisch zu kalkulieren. 

Verein hilft über Kooperation

Wo kein Unternehmen im Umfeld ist, findet sich aber trotzdem oftmals eine Gruppe Menschen zusammen, die bereit sind, die Betreuung eines Standorts zu übernehmen. Das geht nämlich auch. In diesem Zusammenhang arbeitet teilAuto zum Beispiel mit dem Verkehrswende in kleinen Städten e.V. zusammen. Dieser hilft Initiativen dabei Carsharing Systeme eben auch in kleinen Städte oder kleinen Ortschaften aufzubauen, wo die Nachfrage nicht objektiv gesichert ist. Die Initiative übernehmen gemeinsam die Verantwortung für einen Stellplatz, unterstützen bei der Pflege der Fahrzeuge und werben für die rege Nutzung des Angebots. Alles rund um das Fahrzeug und die Fahrten wird dann vom Anbieter gestellt. Dazu gehören Kundenapp, -service und Schadensregelung.  

Ob dieses Modell etwas für die Ortsteile in Erfurt ist, bleibt unsicher. Eine der größten Herausforderungen bleibt die Frage, ob es überhaupt möglich ist, gerade in den weiter entfernten Ortsteilen vollständig auf ein eigenes Auto zu verzichten. Im Gespräch wurde deutlich, dass Car-Sharing-Nachfrage mit einem gut funktionierenden ÖPNV steigt. Denn erst eine gute Anbindung an das Nahverkehrssystem ermöglicht, dass das eigene Auto abgestoßen werden kann. Somit wird dann für die Wege, für die dann tatsächlich ein Auto notwendig ist, Car-Sharing eine Option. Niklas Wachholtz machte sehr deutlich, dass der Umstieg vom eigenen PKW auf Car-Sharing aus seiner Erfahrung nicht schleichend erfolgt, sondern dass die Menschen erst das Auto abgeben, sich also dafür entscheiden weniger Auto zu fahren. Und für den Fall der Fälle, dass sie ein Auto benötigen, wird dann Car-Sharing genutzt. Es ist also ein Zusatzbonus zu öffentlichem Nahverkehr und Fahrrad. 

Car-Sharing reduziert Parkflächen

Immer, wenn wir als FDP das Thema Car-Sharing diskutieren, gehen die Augenbrauen nach oben. „Die FDP ist für kostenfreie Parkplätze und viel Autoverkehr.“, so der Irrglaube. Das stimmt so nicht. Wir beobachten durchaus, wie immer mehr Fahrzeuge den Parkdruck auch in Erfurt erhöhen. In vielen Ecken Erfurts fahren viele Pendler teilweise länger durch die Straßen, um einen Parkplatz zu finden, als sie für den Weg zur Arbeit brauchen. Bevor wir aber den Menschen ihr Fahrzeug wegnehmen oder das Parken verbieten, machen wir uns Gedanken, welche Angebote es braucht. Deswegen war das Gespräch in Vieselbach auch für die Situation in der Erfurter Innenstadt durchaus interessant.

Auf den ersten Blick, benötigen Car-Sharing-Stationen erstmal zusätzlich Stellplätze im öffentlichen Raum, die dann wieder fürs Parken fehlen. Die Diskussion um fehlende Parkhäuser und zu wenig Stellplätze auf den P+R-Parkplätzen haben wir oft genug geführt. Betrachtet man den Flächenkonflikt aber im ganzen, so könnten Car-Sharing-Stellplätze auch mittelfristig zu einer Reduktion des Bedarfs an Parkflächen sorgen. Denn ein Car-Sharing Fahrzeug ersetzt bis zu zehn private Fahrzeuge. Gerade in den Innenstädten mit gutem ÖPNV-Angebot entscheiden sich immer mehr Menschen gegen ein eigenes Auto. Deswegen sind auch die Regeln in der Bauordnung durchaus überdenkenswert, durch die jeder Neubau eines Mehrfamilienhauses immer 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit vorsehen muss. Hier ist Raum für Flexibilität, wenn verkehrsreduzierende Maßnahmen wie Car-Sharing-Stellplätze als solche akzeptiert würden. 

Gesamtkonzept gibt Kommune Gestaltungsspielraum

Im Gespräch waren wir uns dann einig, dass es am Ende immer ein Gesamtkonzept braucht, in welchem die Bedarfe der einzelnen Mobilitätsakteure berücksichtigt werden. Es liegt an der Kommune selbst, Konzepte zu entwickeln und zu entscheiden, wie einfach Mobilität in Zukunft in der jeweiligen Stadt sein soll. Dazu gehört dann auch ein Car-Sharing-Entwicklungsplan, der festlegt, wo überall Stationen sein sollen. Diese können ausgeschrieben werden und Anbieter bewerben sich dann auf die attraktiven und auch auf die weniger attraktiven Stellplätze - zum Beispiel in den Ortsteilen. In der Mischkalkulation sieht so ein Car-Sharing-Netz dann nämlich schon wieder ganz anders aus. 

 

geschrieben von Franziska Baum am 11. Oktober 2022